Verfasser: Joesi Prokopetz
Ich wage zu behaupten, dass es keine Sprache gibt, die so unverbindliche Maßeinheiten hervorgebracht hat, wie die österreichische. Das Vage und Dehnbare in unseren internen Maßeinheiten scheint auch ein Indiz, ja eine Facette des österreichischen Wesens an sich zu sein.
Betrachten wir nur die Aufforderung "Noch ein Wengerl": ein Wengerl sitzen, ein Wengerl da bleiben, noch ein Wengerl lustig sein - daran finden wir gar nichts Bemerkenswertes mehr. Dass ein Weg breit ist, wenn er lang ist, wundert auch keinen mehr und wir sind auch daran gewöhnt, dass man endlos wartet, wenn man ewig nicht drankommt.
Ja, selbst wenn einer auf einen Hupfer vorbeischaut, wird das in den seltensten Fällen missverstanden und stört selbst nach zwei Stunden noch niemanden.
Schwieriger wird es dann, wenn jemand um ein Alzerl (Euzerl) daneben liegt. Kann man zB auch um 2 Euzerl daneben liegen? Waren in grauer Vorzeit 10 Euzerln einmal 1 Euz? Und wenn etwas um 100 Euz nicht stimmt, kann man dann schon sagen: "Na den Unterschied möcht' ich Klavierspielen können"?
Wenn man etwas um ein Haus verfehlt hat oder gar um ein Eckhaus? Um welche Mengen handelt es sich dann wirklich? Oder wenn jemand sagt: Ich bin den ganzen Nachmittag herumgrannt; i war in 97 Gschäftln, hab 17 Sakkos in 1000 verschiedenen Größen probiert. Ka anziges hat passt, bis auf zwaa - und dafür hab i a Lawine zahlt und bin fix und fertig, weil überall a ganzer Oarsch voll Leut war!" Wie viele Leute gehen da hinein? Ja, wenn besagter Körperteil einer einflussreichen Persönlichkeit gehört, wie viele sind schon drin?
Wann wird aus einem Tröpferl ein Tropfen? Wann daraus ein Schluckerl? Wann kann man von einem Glaserl sprechen und wie viel Flüssigkeit ist in einem Flascherl? Ist da immer noch der obligate Doppler gemeint?
Noch schwieriger wird es beim Futzerl. Wann mutiert es zum Eckerl? Wann zum Stückerl? Welche Ausdehnung muss ein Körper haben, dass wir ihn in der Folge als Trumm oder gar als Mordstrumm bezeichnen können?
Wie viel ist ein bisserl? Diese Maßeinheit ist besonders heikel, weil man sie so ambivalent verwenden kann. Zum Beispiel: "Na, das ist aber a bisserl vü!" oder aber auch "Das is aber a bisserl gar wenig". Die Bemerkung "Bist a bisserl deppert" bescheinigt jemandem ein noch eher harmloses, fast liebenswertes, Irresein; verstärkt man die Aussage jedoch mit einem "mir scheint, du bist a bisserl deppert" dann möchte man offensichtlich bereits auf ernsthaft gestörte Geisteszustände hinweisen.
Alle diese Beiläufigkeiten sind in ihrer Ungenauigkeit keine fixen Größen, aber als Österreicher/in lebt man mit ihnen. Wahrscheinlich gibt es gescheite Leute - Etymologen oder auch Anthropologen - die die Herkunft der Wörter erkären bzw. philosophisch unter Hervorkramung alter Sitten und Bräuche deuten könnten worum es sich bei einem Trumm, einem Eckhaus oder einem Futzerl handelt.
Aber ich fürchte, niemand wird es erklären können, von wo es kommt oder von welchem Brauch es sich ableitet, dass jemand der gefragt wird, ob er beispielsweise seinen Zug noch erwischt hätte und dieser dann antwortet: "Oba ums Oarschleckn net"!
Ich liebe es, ein Österreicher zu sein.
Sometimes the roads we take do not turn out to be the roads we envisioned them to be - Garth Brooks, "the hits"
04.02.2004 14:08
